Ein Streifzug durch die Kolonie Wedding

ein Beitrag des Mietermagazins der DEGEWO

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artnet 07.06.2012

Kunstrundgang im Soldiner Kiez, Berlin – My best friend’s Wedding von Denis Grünemeier

 

Gala Čaki vor ihrer 8 x 2 Meter großen Abschlussarbeit für die Akademie der Künste in Novi Sad 2011, Serbien

 

Man kennt sie, die Kunstareale in Berlin. Mitte, Schöneberg, Charlottenburg – immer wieder wird eine neue Szene ausgerufen, bis irgendwann der nächste Hotspot kommt. Und der könnte durchaus demnächst der Wedding sein. Nicht nur etablierte Künstler wie Monica Bonvicini, John Bock oder Gregor Hildebrandt haben hier ihr Atelier, seit rund sieben Jahren gibt es dort auch die „Kolonie Wedding“ – einen Zusammenschluss von 33 nichtkommerziellen Kunstprojekträumen.

Initiiert von Künstlern und dem Quartiersmanagement Soldiner Kiez und finanziell unterstützt von der Wohnungsbaugesellschaft degewo, werden hier leer stehende Läden mit zeitgenössischer Kunst bespielt. Am letzten Wochenende im Monat laden die Projekträume immer mit einem gemeinsamen Eröffnungsprogramm zum Rundgang mit Kiez-Charakter.

Die Anwohner im Soldiner Kiez sind so international wie die Kunstszene selbst, und viele Projekträume der Kolonie nehmen darauf Bezug. So die Galerie wortwedding mit dem längerfristig angelegten Projekt „Meister der Fremde = Meister der Heimat“. Künstler setzen sich hier mit der Dichtung des Lyrikers Hasan Özdemir auseinander. Zum Kunstwochenende im Mai eröffnete etwa Seçkin Aydın seine Installation. Darin visualisiert er die schwermütigen Heimatgedanken des Dichters mit Hilfe von Textilien, die bezeichnenderweise von den türkischen Märkten in Berlin stammen. Von den Anpassungsschwierigkeiten nicht nur in der Fremde handelte am gleichen Eröffnungsabend die Performance der italienischen Künstlerin Manuela Macco im Atelier Soldina.

In Untitled (In the Corner) schrumpft die Welt symbolisch auf die Enge des Eckraumes der sonst leerstehenden Galerie zusammen, in dem die Künstlerin sich zurecht zu finden versucht – hockend, gar kopfstehend oder sich gegen die Wand pressend in schweißtreibender Anstrengung. Nur einige Schritte entfernt, in der Galerie Uhrwerk, zeigte Misha Shenbrot seine Papierarbeiten – Collagen, in denen er aus der visuellen Quelle der illustrierten Magazine sowie Kunstbüchern eigensinnige Bildwelten schafft. Darauf schwebt etwa Juri Gagarin im Raumanzug unter der Kuppel einer gotischen Kathedrale; die Landschaft auf El Grecos Blick auf Toledo (1596/1600) wird von Dinosauriern bevölkert, die lichte Gestalt Willy Millowitschs umkreisen anatomische Zeichnungen. Das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Kontexte, das sich nicht allein im Aneinanderschneiden der Motive sondern oftmals auch in den verschiedenen Qualitäten des Papiers von gelblichem Matt bis Hochglanz ausdrückt, bringt Paradoxien hervor und beschleunigt die Fantasie.

Der Hingucker an diesem Abend war die Ausstellung der serbischen Künstlerin Gala Čaki im Prima Center Berlin, wo man sich auf Kunst vom Balkan spezialisiert. Čakis ausdrucksstarke Bilder erzählen vom Tod, oftmals vor dem Hintergrund der realen Erfahrungen des Sterbens von Freunden und Verwanden. Die geisterhaften Gestalten tummeln sich auf den Bildern der Serie „Spaces“ auch in den Innenräume der Akademie der Künste in Novi Sad, in der Caki 2011 ihr Studium absolvierte. Beinahe schamanenhaft mutet die Arbeitsweise der Künstlerin an, wenn sie die Farbpigmente mit Staub, Erde oder Holzpartikeln mischt, um daraus ihre dunkel leuchtende Palette zusammen zu stellen.Auch diese Kunst braucht ihr Publikum. Bei den Wochenenden in der Kolonie Wedding mit einem breitgelegenen Begleitprogramm aus Live-Musik, Lesungen, Workshops, geführten Touren und Vernissagen steht weniger das einzelne Kunstwerk im Vordergrund, als vielmehr der Event-Charakter der Kollektiverfahrung von Kunst und Kultur bei Sekt und Brezel.

Der Standort im Soldiner Kiez gibt dem Ganzen einen unprätentiösen Beigeschmack, obwohl Großgaleristen wie Max Hetzler und Guido W. Baudach ihre Räume in unmittelbarer Nachbarschaft betreiben. In der Kolonie ist man sich einig: Der Wedding ist dabei, sich als neuer Geheimtipp auf der Berliner Kunstkarte zu etablieren und man werkelt fleißig an der Juni-Ausgabe des Kiezrundgangs. Er findet am 29. Juni und 1. Juli 2012 statt.http://www.artnet.de/magazine/kunstrundgang-im-soldiner-kiez-berlin/

Der Autor – Denis Grünemeier – ist wissenschaftlicher Volontär am Jüdischen Museum und gehört zum Kuratorenteam der »Heimatkunde«

YouTube - Besuch bei der Kolonie Wedding
© YouTube | Skk

YouTube 30.06.2012

 

Skk zu Besuch bei Wortwedding, Prima Center Berlin, Art Laboratory Berlin und in der Kugelbahn.

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